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Sprachwissenschaftliches Proseminar
Übung
ÜK: Lektürekurs
Dr. Katharina Jacob

Vertextung von Zeit(lichkeit) (digitale Veranstaltung)

Do, 11:15 - 12:45
PB SR 038
Beginn: 05.11.2020

Gegenstand

\"Zeit ist eine der fundamentalen Kategorien der menschlichen Kognition, ohne deren Organisation moderne Gesellschaften nicht funktionieren könnten.\" (Rothstein 2007, 2f.) Zeit ist exakt messbar, sie kann aber auch sehr unterschiedlich wahrgenommen und empfunden werden. In sprachlichen Realisierungen manifestieren sich epochen- und kulturspezifische Zeitvorstellungen. Sprache dient als Medium, Zeit herzustellen und zu strukturieren – ein faszinierender Gedanke: Existiert Zeit, bevor sie von (physikalischen oder sprachlichen) Zeichen erfasst wird oder kommt den Zeichen eine konstituierende Kraft zu? Neben zeittheoretischen Standpunkten, deren Diskussion den Beginn des Seminars ausmachen, liegt der Schwerpunkt auf der linguistischen Auseinandersetzung mit Formen, um Zeit zu versprachlichen.
Wir werden die grammatischen Kategorien wie die des Tempus (Markus kochte Spaghetti), Aspekts (Markus war gerade beim Spaghettikochen) und Modus (Markus müsste Spaghetti kochen) behandeln und ihren Zusammenhang zu Wortarten wie Temporaladverbien (gerade, mehrmals oder abends) oder Substantive (Wiedergeburt, Moment oder Exmann) beleuchten. Um die Schnittstelle zwischen Grammatik und Semantik weiter zu vertiefen, werden wir auf die Aktionsarten der Verben eingehen (blühen, aufblühen, verblühen) und uns den \"Dornseiff. Der Deutsche Wortschatz nach Sachgruppen\" vornehmen. Das pragmatische Prinzip der Deixis führt uns vor Augen, dass bei der Versprachlichung von Zeit nicht nur innersprachliche Bezüge, sondern auch außersprachliche Zeigehandlungen relevant sind. Wir bleiben nicht bei der Betrachtung einzelner zeitmarkierender Ausdrücke und ihrer Verweisfunktion stehen. Wir wollen ihre Relationen untereinander und ihre Wirkung im Text eingehend untersuchen. Demzufolge beziehen wir textlinguistische Überlegungen mit ein und fragen nach der thematischen Entfaltung und narratologischen Prinzipien wie dem der erzählten Zeit und Erzählzeit.

Organisationsform

Im Seminar werden wir gemeinsam Beiträge lesen, strittige Punkte diskutieren und Deutungsansätze erarbeiten. Die Arbeit mit Einführungen, Handbüchern, Grammatiken und Lexika zur linguistischen Zeitforschung wird ebenso im Fokus stehen wie die Auseinandersetzung mit aktuellen Abhandlungen zu Spezialfragen. Ein zentrales didaktisches Element werden Expert*innengruppen sein, die sich in einzelne zeitmarkierende Phänomene einarbeiten und für diese verantwortlich sind. Im Plenum werden wir dann versuchen, durch kollaboratives Analysieren, die Expert*innenbereiche aufeinander zu beziehen, um so die Relationen zwischen den zeitmarkierenden Ausdrücken und ihre Vertextung angemessen zu analysieren. Sie werden Einblick bekommen in qualitative Formen der Textanalyse, diese aber auch lernen, für quantitative Verfahren nutzbar zu machen, indem sie in INCEpTION annotieren lernen. Das Seminar steht im Paradigma des forschenden Lernens, da die Dozentin ihre eigene Forschung in der Veranstaltung thematisiert und weiterverfolgt und Sie auf diese Weise Forschung hautnah kennenlernen und durch Ihre eigene Studien mitgestalten.

Einführende Literatur:

Binnick, Robert I. (2012): The Oxford Handbook of Tense and Aspect. Oxford University Press.
Heinold, Simone (2015): Tempus, Modus und Aspekt im Deutschen. Ein Studienbuch. Tübingen: Narr (Narr Studienbücher).
Klein, Wolfgang (2009): Concepts of time. In: Klein, Wolfgang/ Li, Ping (Hg.): The expression of time. Berlin u.a. Mouton de Gruyter (The expression of cognitive categories 3), S. 5–38.
Rothstein, Björn (2011): Tempus. Tübingen: Groos (Studienbibliografien Sprachwissenschaft 39).
Rothstein, Björn (2017): Tempus. 2., aktualisierte Auflage. Winter: Heidelberg (Kurze Einführung in die germanistische Linguistik 5).
Vater, Heinz (2007): Einführung in die Zeit-Linguistik. 4., verb. u. erw. Aufl. Trier: WVT.
Weinrich, Harald (2001): Tempus. Besprochene und erzählte Welt. 6., neu bearbeitete Auflage. München: Beck.

Studiengänge und Module

Bachelor

BA B 2.1/a Proseminar Linguistik: Sprache als System (6 LP)
BA B 2.2 Proseminar Linguistik: Mittel der Kommunikation/Sprachgeschichte (6 LP)
BA B 2.2 Übung (Lektürekurs): 3 LP
BA B 2.3 Proseminar Linguistik: Sprache als System (6 LP)
BA B 2.3 Proseminar Linguistik: Mittel der Kommunikation/Sprachgesch. (6 LP)
BA ÜK A Projektarbeit: je nach Arbeitsaufwand 1-4 LP
BA ÜK B Lektürekurs: je nach Arbeitsaufwand 1-3 LP

Master

1. Linguistik (Ling.)

MA Grundlagenmodul – Forschungswerkstatt/Übung Ling.: Sprache und Erkennen (6 LP)
MA Vertiefungsmodul – Forschungswerkstatt/Übung Ling.: Wissen und Text (6 LP)
MA Kompaktmodul – Forschungswerkstatt/Übung Ling.: Sprache und Erkennen; wahlweise: Wissen und Text (6 LP)

Magister und Lehramt (alt)

Mag und LA (alt) Proseminar: Hausarbeit oder mündliche ZP

Lehramt (neu)

A 2: Basismodul Proseminar Sprachwissenschaft: Sprache als System (6 LP)
A 3/a: Vertiefungsmodul: Proseminar Germanistische Sprachwissenschaft: Mittel der Kommunikation/Sprachgeschichte (6 LP)
A 3/a: Lektürekurs: Germanistische Sprachwissenschaft: 3 LP (in: HF / HF+K/M / EF+HF)
C 1/a: Ergänzungsmodul: Lektürekurs Sprachwissenschaft: 3 LP (in: HF / HF+K/M / EF+HF / BF + K/M)

Master of Education

Übung Linguistik: 2 LP
Verschränkungsmodul integrativ (NDL, Mediävistik, Linguistik sowie Fachdidaktik): 6 LP
Verschränkungsmodul Projektarbeit: 6 LP

Master Literatur - Sprache - Wissen

Grundlagenmodul 2: Forschungswerkstatt / Übung / Proseminar Linguistik: Sprache und Erkennen (6 LP)
Vertiefungsmodul 3: Forschungswerkstatt / Übung / Proseminar Linguistik: Wissen und Text (6 LP)

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